mask

Kinderschutz hat höchste Priorität

Nicht die feuerwehrtechnische Ausbildung oder die Brandschutzerziehung – nein, das Kindeswohl und der Kinderschutz müssen die wichtigsten Grundlagen in den Nachwuchsgruppen der Feuerwehr sein. Nur auf dieser Basis dürfen wir uns überhaupt in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einbringen. Es geht in diesem Beitrag um erhöhte Aufmerksamkeit, ganz persönliche Grenzen und den Versuch, das wichtige Thema Kinderschutz "feuerwehrgerecht" zu erklären.

Die Jugendleiter/-innen in den Kinder- und Jugendfeuerwehren sind zumeist Feuerwehrfrauen und -männer, unter ihnen befinden sich nur ganz wenige ausgebildete Erzieher/-innen und Pädagoginnen/Pädagogen. Ein Umstand, den wir uns in den Feuerwehren immer wieder bewusst machen müssen. Nicht jeder "Feuerwehrmensch" ist automatisch als Jugendwart/-in oder Betreuer/-in geeignet. Vor allem nicht mit Blick auf das Kindeswohl.

Was steckt eigentlich hinter "Kindeswohlgefährdung"?

Das Kindeswohl ist ein wichtiges Konzept in der Kinder- und Jugendhilfe. Beim Kindeswohl geht es um die gute körperliche, geistige und seelische Entwicklung junger Menschen. Oft wird von Kindeswohl jedoch nur in einem negativen Sinn gesprochen, als Kindeswohlgefährdung. Sie kann in unterschiedlichsten Erscheinungsformen auftreten. Eine grobe Übersicht:

  • Vernachlässigung: Erhalten Kinder nicht regelmäßig Nahrung oder Flüssigkeit, stellt dies eine Kindeswohlgefährdung dar. Vernachlässigung kann aber auch in Form von fehlender emotionaler Zuwendung, medizinischer Versorgung oder mangelnder Körperhygiene auftreten.
  • Vernachlässigung der Aufsichtspflicht: Fehlt eine altersgerechte Betreuung, die den Schutz vor Gefahren gewährleistet, kann sich dies negativ auf die Entwicklung auswirken.
  • Gewalt kann in verschiedensten Ausprägungen auftreten. Sie kann sich sowohl in Handgreiflichkeiten als auch in Mobbing, Ausgrenzung und seelischem Druck äußern.
  • Sexueller Missbrauch und sexualisierter Gewalt: Der sexuelle Missbrauch von Kindern führt in den meisten Fällen zu schwerwiegenden Traumata.
  • Seelische Misshandlung: Die seelische Kindeswohlgefährdung kann verschiedenste Formen annehmen. Dabei kann es sich zum Beispiel um die Androhung von Gewalt oder auch eine verbale Entwertung handeln. Aber auch eine Überbehütung kann als Kindeswohlgefährdung gewertet werden.
  • Häusliche Gewalt zwischen anderen: Erleben Kinder und Jugendliche gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Eltern oder anderen Bezugspersonen, hat dies nicht selten weitreichende Folgen.

Einige dieser Punkte sind eindeutig im Bereich des familiären Umfelds angesiedelt. Das entlässt aber Jugendfeuerwehrwartinnen und -warte sowie Betreuer/-innen nicht aus der Verantwortung, auf eine vermutete Kindeswohlgefährdung außerhalb der Feuerwehr zu reagieren.

Jugendleiter/-innen müssen Aufmerksamkeit und Empathie für die Kinder und Jugendlichen und ihr Verhalten aufbringen, auf veränderte Verhaltensmuster und den Gemütszustand ihrer Schützlinge genau achten.

Eine Übersicht von Anzeichen für eine mögliche Kindeswohlgefährdung findet Ihr auf bildung.jugendfeuerwehr.de.

Wenn Jugendleiter/-innen den konkreten Verdacht einer Kindeswohlgefährdung hegen, greift § 8a Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) "Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung". Darin ist folgende Schrittigkeit beschrieben: als erstes hat eine Gefährdungseinschätzung zu erfolgen. Dann sollte eine "insoweit erfahrene Fachkraft" beratend hinzugezogen. Diese speziell qualifizierten Kräfte sind mittlerweile auch immer mehr in den Feuerwehren anzutreffen. Ansonsten empfehlen wir den Einbezug einer Beratungsstelle. Erst dann solltet Ihr das Kind beziehungsweise die Eltern einbeziehen - wenn hierdurch eine weitere Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen werden kann.

In den nächsten Schritten könnte auch eine Information an das Jugendamt erforderlich werden. Die Vorgehensweise des Jugendamtes bei vermeintlicher Kindeswohlgefährdung besteht dann auch in erster Linie aus Angeboten zur Unterstützung und Beratung der Eltern. Verweigern die Eltern jedoch die Mitarbeit und besteht die Gefahr einer akuten Kindeswohlgefährdung, kann das Jugendamt auch gegen den Willen der Eltern notwendige Hilfen organisieren. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Besuch beim Arzt oder in besonderen Fällen eine vorübergehende Unterbringung handeln. Allerdings ist das Jugendamt nicht dazu befugt, die Rechte der Eltern zu beschränken.

Konkreter Blick in die Feuerwehr

Vieles, was in schulischem oder familiärem Umfeld eine Kindeswohlgefährdung auslösen kann, lässt sich auch auf Situationen in der Kinder- oder Jugendfeuerwehr übertragen. Vor seelischer und körperlicher Gewalt ist keine Gruppe gefeit. Immer, wenn unterschiedliche Rollen und Charaktere aufeinandertreffen, kann es zu Auseinandersetzungen kommen.

So ist bei Ritualen wie beispielsweise der Taufe neuer Jugendfeuerwehr-Mitglieder im Zeltlager höchste Vorsicht geboten ist. Während einige mutige Jugendfeuerwehrmänner und -frauen förmlich darauf warten, endlich in den See geworfen zu werden, führt das bei anderen Kindern und Jugendlichen zu großem Unwohlsein. Für die Betroffenen können derartige Taufen in wahrnehmbare Gewalt ausarten – körperlich durch das Festhalten der Kameradinnen und Kameraden, psychisch durch die Erniedrigung. Schon aus diesem Grund sollten solche tradierten Praktiken hinterfragt werden. Dieselbe Wirkung kann auch das Kräftemessen unter Jugendlichen haben: Ältere wollen sich behaupten und nutzen ihre körperliche Überlegenheit aus. Deshalb ist es wichtig, sich gemeinsam mit den Jugendlichen Gedanken über wertschätzende Aufnahme-Rituale zu machen, die niemanden erniedrigen und vor denen niemand Angst haben muss.

Ebenso gefährlich sind Mobbing und Ausgrenzung. Jugendleiter/-innen sollten genau auf das Gruppengefüge und die Cliquenbildung achten. Nicht zwangsläufig sind Cliquen etwas Schlechtes. Sie können in einer Jugendfeuerwehr durchaus einen festen Kreis bilden, der Verlässlichkeit und Motivation erzeugt. Aber entscheidend sind die Fragen: Wer ist außen vor? Haben der oder die Betroffene einfach nur andere Freunde oder werden sie bewusst ausgegrenzt?

Es gibt selten ein von allen Akteurinnen und Aktueren geteiltes Richtig oder Falsch, ein eindeutiges Spaß oder Ernst. Jeder Mensch nimmt die Dinge individuell wahr, dessen müssen sich alle in der Jugendarbeit Engagierten bewusst sein. Was für einige ein lockerer Spruch ist, kann auf andere beleidigend wirken. Genauso können nur die Betroffenen selbst beantworten, ob sie sich gemobbt fühlen oder nicht. Konkrete Beispiele sind frauen- oder ausländerfeindliche Witze. Sie haben in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen schlichtweg nichts zu suchen!

Aufgepasst im Schwimmbad

Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, was von jungen Menschen als sexuell übergriffig empfunden werden kann. Das kann schon der Spruch eines Jugendleiters in der Gruppendusche sein: "Duschst Du immer mit Badehose? Hier guckt doch keiner dem anderen was ab." Völlig unnötig. Wenn sich jemand nicht nackt zeigen möchte, dann hat er seine Gründe. Diese Grenze dürfen Jugendleiter/-innen, aber auch andere Jugendliche niemals überschreiten.

Apropos Badehose: In Schwimm- oder Freibadsituationen sollten Jugendleiter/-innen verstärkt darauf achten, dass sich Kinder und Jugendliche nicht „angepackt“ oder beobachtet fühlen. Ein falscher Griff beim Toben im Schwimmbecken kann auf den jungen Menschen wie eine Annäherung wirken. Diese Grenzen zu beachten, ist enorm wichtig im Umgang mit Kindern und Jugendlichen.

Dass jemand dazu neigt, körperliche Nähe, eine sexualisierte Atmosphäre oder gar sexuelle Handlungen an Kindern und Jugendlichen zuzulassen oder sogar zu suchen, kommt häufig erst nach einem Übergriff ans Licht. Das ist gefährlich! Täter/-innen suchen sich Gelegenheiten, in denen sie im Alltag in entsprechende Situationen mit Kindern und Jugendlichen geraten können, zum Beispiel gemeinsame Übernachtungen oder eben gemeinsames Duschen. Diese Räume dürfen sich ihnen gar nicht erst bieten! Hier müssen Jugendleiter/-innen stets die nötige Distanz wahren und die Privatsphäre ihrer Schutzbefohlenen respektieren.

Alle Beteiligten – sowohl Jugendleiter/-innen als auch die Mitglieder der Kindergruppen und Jugendfeuerwehren – sollten dafür sensibilisiert werden, aufeinander zu achten. Verfängliche Situationen in der Gruppe, ohne sachlich zwingenden Grund, müssen vermieden oder aufgelöst werden. Das bezieht sich auf unbeobachtete Zweisamkeit, unnötige körperliche Nähe (Rücken eincremen etc.) und weitere Situationen bei Freizeitfahrten und Zeltlagern.

Haltung und Aufmerksamkeit sind sehr wichtig

 Jugendwartinnen und -warte sowie Betreuende sollten aufmerksam auf die Verhaltensmuster der Kinder und Jugendlichen achten, um Veränderungen feststellen zu können. Darüber hinaus sollten Jugendleiter/-innen unbedingt eine Haltung vorleben, die keinen Spielraum für irgendeine Form von Kindeswohlgefährdung in der Gruppe zulässt:

  • Bekannt machen und erkennen lassen, dass dies kein Platz für jegliche Art von sexistischem, diskriminierendem und gewalttätigem Verhalten ist.
  • Aktiv Stellung gegen abwertendes Verhalten beziehen.
  • Bei Verstößen Konsequenzen ziehen.

Um die eigene Haltung als Jugendleiter/-in für Kindeswohl ständig zu überprüfen, kann ein Verhaltenskodex dienen. Solch eine Selbstverpflichtungserklärung sollte nie nur als formalistischer Akt bei der Berufung einer Jugendleiterin oder eines Jugendleiters eingeführt werden. Er ist dafür da, den Akteurinnen und Akteuren in der Jugendarbeit immer wieder ihre Verpflichtung ins Gedächtnis zu rufen. Daher ist es wichtig, Jugendleiter/-innen zum Thema Kinderschutz zu schulen und den Verhaltenskodex zu besprechen sowie mit Praxisbeispielen zu erläutern.

Auch hierzu findet Ihr Hinweise unter bildung.jugendfeuerwehr.de.

Redaktion: Christian Patzelt, Karsten Gäbler, Andreas Adams