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Europa und Du

Wir sind alle Europäer:innen

Deutschland gehört seit 70 Jahren zur Europäischen Gemeinschaft, heute Europäische Union (EU) genannt. Spanien, Österreich, Litauen – das sind nur wenige Länder, mit denen Deutschland durch die EU stark verbunden ist. Wie kam es zu diesem weltweit einzigartigen Verbund? Und was bringt es Dir, dass es die Union heute gibt? 

„Die Ukraine wird Beitrittskandidat der Europäischen Union“ – so lautete eine wichtige Zeitungsschlagzeile. Du weißt, in der Ukraine herrscht Krieg. Für das europäische Land ist es jetzt besonders wichtig, dass es Teil der Europäischen Union wird. In Europa liegen oder in der Europäischen Union sein: Das ist nicht dasselbe.

Wer aber die Europäische Union verstehen möchte, der muss bei Europa anfangen. 

Die Sage von der schönen Europa
"Europa auf dem Stier", Wandgemälde aus Pompeji

Europa ist wie Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, Australien, die Arktis und die Antarktis ein Kontinent auf unserem Planeten Erde. Und warum heißt dieser Kontinent „Europa“? Die weit verbreitete Antwort auf diese Frage ist eine Legende aus der griechischen Mythologie. Europa, so soll die Tochter eines Königs geheißen haben. Sie lebte am Strand von Sidon, einer Stadt im Libanon. Der griechische Göttervater Zeus soll sich in Europa verliebt haben. Er verwandelte sich in einen Stier, denn er wollte Europa näherkommen, ohne dass seine Ehefrau Hera etwas davon mitbekam. Es klappte: Am Strand kletterte Europa auf den Rücken des schönen Stieres und dieser entführte sie auf die griechische Insel Kreta. Die Landmassen um Kreta hatten noch keinen Namen – und so wurden sie nach Europa benannt.

Diese Legende verrät zweierlei: Ist von Europa die Rede, dann geht es zum einen um Geografie. Die Grenze Europas zum Kontinent Asien sollen das Uralgebirge und der Fluss Ural sein. Zum anderen haben die vielen Länder Europas eine gemeinsame Kultur. Denn die Geschichte um Zeus und Europa erzählt man sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Portugal, Tschechien oder Rumänien.

Die Kultur Europas ist vor allem griechisch, christlich und jüdisch geprägt. Was die Staaten Europas noch gemeinsam haben: einen weiten Teil ihrer Geschichte. Bestimmt hast Du in der Schule schon vom Römischen Reich gehört, vom Mittelalter, von der Aufklärung, der Industrialisierung, vom Ersten und Zweiten Weltkrieg. Diese historischen Entwicklungen und Ereignisse über Jahrhunderte teilen die Länder Europas miteinander. Aus dieser gemeinsamen Vergangenheit heraus entstand die Europäische Union – vor allem aber durch die schrecklichen Erfahrungen zahlreicher Kriege zwischen den europäischen Ländern. Durch diese wurden viele Politiker:innen dazu motiviert, eine Organisation zu schaffen, die Frieden in Europa garantiert. Dieses Friedensziel wurde unter dem Ruf nach einer „Einheit Europas“ zusammengefasst – bis heute wird diese Einheit immer wieder beschworen.

Erste Schritte auf dem Weg zur Gemeinschaft

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, also nach 1945, ebnete sich der Weg zur Europäischen Union. In Frankreich unternahm der französische Unternehmer Jean Monnet den Vorstoß, die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik enger zu verknüpfen. Seine Idee: Eine wirtschaftliche Vergemeinschaftung bei Kohle und Stahl. Denn mit einer gemeinsamen Macht über die Kohle- und Stahlproduktion könnten die Länder keinen Krieg mehr gegeneinander führen. Der französische Außenminister Robert Schuman griff diese Idee auf, verpackte sie in seinem „Schuman-Plan“.

Im Jahr 1952 war es dann so weit: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) wurde gegründet, auch „Montanunion“ genannt. Die EGKS war ein Wirtschaftsverband, in dem sich Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg zusammenschlossen. Diese wirtschaftliche Integration, also das weitere Zusammenwachsen der Staaten, wurde immer weiter vertieft. Im Jahr 1957 gründeten die Mitgliedsländer der Montanunion die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom). Die Verträge, die der EWG und Euratom zu Grunde liegen, nennt man Römische Verträge, weil sie in Rom unterzeichnet wurden. 

Diesen neuen Gemeinschaften traten im Laufe der Zeit weitere Staaten bei. Zunächst gab es im Jahr 1973 die „Norderweiterung“. Dänemark, Großbritannien und Irland kamen hinzu. In den 1980er Jahren folgte die Süderweiterung mit Griechenland, Spanien, Portugal. Fortan nannte man die Gemeinschaft das „Europa der 12“, weil zwölf Staaten dazugehörten. Und damit war noch lange nicht Schluss.

Sternstunde des Euro

Im Jahr 1992 unternahmen die EGKS, die EWG und Euratom einen großen gemeinsamen Schritt. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nur noch die Europäische Gemeinschaft (EG). Diese basierte nun auf drei Säulen: auf der Säule neuer europäischer Gemeinschaften (zum Beispiel der Wirtschaft-, Sozial- oder Bildungspolitik), auf der Säule der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und auf der Säule einer engeren Zusammenarbeit von Polizei und Gerichten.

Unter dieses neue Drei-Säulen-Dach der Europäischen Gemeinschaft schlüpften im Jahr 1995 wieder neue Mitglieder: Österreich, Finnland und Schweden. Viele, aber nicht alle, dieser Länder unternahmen im Jahr 2002 sogar noch einen größeren Integrationsschritt: Sie führten den Euro in ihrem Land ein, teilten sich also fortan auch die gleiche Währung.

Im Jahr 2004 kam eine ganze Reihe neuer Mitglieder hinzu. Das waren Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern. Viele dieser Länder hatten lange zur Sowjetunion gehört, die sich in den 90er Jahren auflöste. Der letzte große vertragliche Schub der EU kam mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2007. Mit ihm wurde die EU so, wie wir sie heute kennen. Die Länder Bulgarien und Rumänien schlossen sich 2007 ebenfalls der Union an. Jüngstes Mitglied ist Kroatien, das 2013 beitrat.

Ganz aktuell: Beitrittskandidat Ukraine

Aktuell geht es darum, ob weitere Länder Teil der Europäischen Union werden. Allen voran die Ukraine. Daran zeigt sich die größte Errungenschaft dieses Verbands: Frieden. Wir erinnern uns: Jahrhundertelang bekriegten sich die Länder Europas. Seit ihrem Zusammenschluss in den Europäischen Gemeinschaften und schließlich in der Union haben die Länder sich nicht mehr gegenseitig bekämpft. Konflikte werden jetzt am Tisch gelöst, das heißt diplomatisch. Dafür erhielt die EU im Jahr 2012 den Friedensnobelpreis.

Außerdem stehen die EU-Länder füreinander ein. Sie sind als Verbund stärker als ein Einzelstaat. Um diesen Schutz geht es jetzt der Ukraine. Wäre das Land Teil der Europäischen Union, könnte es mehr, allen voran militärische Unterstützung von den europäischen Ländern erwarten. Hier zeigt sich der Unterschied, den es macht, ein Land Europas oder der Europäischen Union zu sein.

Deine Vorteile von einem Leben in Europa

 

Dir persönlich bringt es also sehr viel, dass Du in einem Land lebst, das zur Europäischen Union gehört. Du darfst in Frieden und Sicherheit leben. 

Und noch Vieles mehr: Du darfst in jedes Land der Europäischen Union einreisen, ohne dass Du ein Visum brauchst. Urlaub auf der spanischen Insel Teneriffa? Mit deinem Personalausweis kommst Du unkompliziert dorthin. Ein Wochenendtrip nach Warschau? Einfach in den Zug setzen. Die offenen Grenzen ohne Kontrollen innerhalb der Union nennt man „Schengenraum“. Die Freiheit, überall in der EU hinreisen zu dürfen, geht sogar noch weiter: Du darfst auch überall leben und arbeiten. Das nennt sich Niederlassungsfreiheit. Wenn Du also mal ein Praktikum oder eine Arbeit suchst, dann kannst Du das in jedem Land der EU tun. Willst Du einen Freiwilligendienst im Ausland machen – kein Problem. Ein Semester an einer Universität eines Mitgliedstaates? Dafür gibt es das Programm „Erasmus“.

Aber egal ob Urlaub, ein Auslandssemester oder für immer in einem EU-Land leben: Durch bereits eingeführte, einheitliche Mindeststandards ist Dein Leben im Ausland leichter. Das heißt, die EU versucht, dass sich g-wisse Bereiche in den verschiedenen Staaten angleichen. Steckdosen, Kabel, wie krumm eine Gurke sein darf – vieles sieht gleich aus, egal ob in Tschechien oder in Frankreich.

Fun Fact: Die Entscheidung, wie krumm eine Gurke in einem EU-Land sein darf, gilt längst nicht mehr. Die „krumme Gurke“ wird aber oft von Gegner:innen der Europäischen Union benutzt, um zu zeigen, dass die EU komische Entscheidungen trifft. Dahinter steckt aber eine viel größere Kritik: Nämlich, dass die Europäische Union zu viel Macht besäße. Das liegt auch an Folgendem: Jene Gesetze, die in Brüssel entschieden werden, haben Vorrang vor dem, was die einzelnen Länderparlamente entscheiden. Vielen ist das ein Dorn im Auge. Und dieser Dorn ist eine große Herausforderung für alle Befürworter:innen der Europäischen Union. Es kam sogar schon zur bisher einmaligen Entscheidung eines EU-Landes, die Union zu verlassen: Das war Großbritannien. Im Januar 2020 ist das Land ausgetreten – der sogenannte Brexit.

Ein weiterer Vorteil Deiner Unionsbürgerschaft liegt in deinem Geldbeutel: der Euro. Er ist einer der wichtigsten Währungen weltweit und steht für Wohlstand. Da inzwischen 19 Staaten in der EU den Euro als Währung haben, musst Du kein Geld mehr wechseln, wenn Du in einem dieser Länder unterwegs bist. Allerdings geht es für den Euro nicht immer steil nach oben – es gab in der Vergangenheit schon einige Währungskrisen. Denn viele Länder in der EU haben hohe Schulden. Das schwächt den Euro. Deswegen ist es wichtig, dass die Länder in der EU solide wirtschaften und Schulden abbauen – das ist aber leichter gesagt als getan.

Gleiche Grundrechte für alle EU-Bürger:innen

Vielleicht hast Du schon mal vom Europäischen Gerichtshof gehört? Er ist dafür zuständig, dass alle Gesetze eingehalten werden, die die EU-Organe gemeinsam verabschieden. Diese Gesetze richten sich an die Mitgliedsstaaten, aber auch an uns, die Unionsbürger:innen. Solltest Du Dich je in einem Recht verletzt sehen, dann kannst Du Dein Recht in Luxemburg einklagen. Dort hat der Europäische Gerichtshof seinen Sitz.

Besonders wichtig ist für uns alle die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ aus dem Jahr 2009. Sie verleiht uns Rechte zum Thema Menschenwürde sowie Freiheits- und Gleichheitsrechte. Will ein Land der Europäischen Union beitreten, dann muss es bereit sein, seinen Bürger:innen diese Rechte zu garantieren. Auch das stellt die EU vor eine Herausforderung. Seit Jahrzehnten wird verhandelt, ob die Türkei Teil der Union werden kann. Die aktuelle türkische Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdoğan schränkt aber viele Freiheiten der Türk:innen ein. Das führt immer wieder zu Konflikten zwischen Brüssel und Ankara.

Du siehst: Die EU steht aktuell vor vielen Herausforderungen. Doch viele Hürden hat die Union schon bewältigt – und das stets gemeinsam mit ihren Mitgliedern. So wird durch die EU unser Leben friedvoll, sicher und frei.

Damit die Integration der EU-Länder aber weitergeht, braucht es Menschen, die an das europäische Projekt glauben und dafür einstehen.

Sei Dir bewusst: Du gehörst zu Europa, du gehörst zur Europäischen Union. Wir alle zusammen, ob wir aus Deutschland, Zypern, Schweden oder Estland kommen:

Wir sind alle Europäer:innen. Wir sind verschieden und doch eins!

Viel Wissenswertes rund um Europa haben wir in unserer Verbandszeitschrift LAUFFEUER 7-8/2022 veröffentlicht.
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